Viktor Ullmann und Norbert von Hannenheim

Beide wurden 1898 geboren, Ullmann in Schlesisch Teschen und Hannenheim in Hermannstadt. Beide waren auch Schüler Schönbergs, Ullmann in Wien und Hannenheim in Berlin. Beider Werke wurden zu ihren Lebzeiten lediglich im Selbstverlag herausgegeben. Beider Psychen kamen an ihre Grenzen der Belastbarkeit, sie passten in die furchtbar gewandelte Wirklichkeit nicht mehr hinein, als Mensch nicht und als Komponist nicht. Hannenheim brach, auch als Resultat von langwährender Unterernährung, zusammen und wurde in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Ullmann, auch er kaum noch wissend, wie sich und seine Familie zu ernähren, konnte sich kurz vor dem Abgrund noch selbst retten, dadurch dass er ein Tagebuch anlegte, in dem er sich seiner selbst vergewisserte.

Von beider Werk muss nach Krieg und Not und Verfolgung vieles wohl bleibend als verschollen gelten, und beider Leben endete nach dem Willen der Nationalsozialisten gewaltsam. Ullmann wurde am 18. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet, Hannenheim starb in einer „Nervenheilanstalt“ im Pommerschen, laut Totenschein an Herzversagen am 29. September 1945 im Landeskrankenhaus Obrawalde. Und auch dies: Beide entstammten geadelten Familien.

Welchen Beitrag zur Musik haben sie geleistet, was muss als solcher wahrgenommen werden und in welcher Form muss er für die Musikgeschichte gewürdigt werden?

Eine neuartige Harmonik zwischen Tonalität und Atonalität – Viktor Ullmann sprach selbst von "Polytonalität" -, hochgespannter musikalischer Ausdruck und meisterliche Beherrschung der formalen Gestaltung gehören zu den Charakteristika von Ullmanns unverwechselbarem persönlichem Stil. Gegenüber seinem Freund, dem Komponisten Karel Reiner - wie er in Theresienstadt inhaftiert, doch konnte dieser überleben - äußerte er sich: "Der Schönbergschule danke ich strenge – will sagen logische – Architektonik und Liebe zu den Abenteuern der Klangwelt, der Hábaschule die Verfeinerung des melodischen Empfindens, den Ausblick auf neue formale Werte und die Befreiung von dem Kanon Beethovens und Brahms’".

Es wird, nicht so sehr aufgrund seines Verfolgungsschicksals, das er so wie unzählige Andere erlitt, als vielmehr wegen seiner Meisterung dessen, immer etwas Besonderes bleiben, die durch Viktor Ullmann geschaffene Musik zur Wahrnehmung und Diskussion zu bringen, und doch ist es im besten Sinne normal, zwischen den Klavierkonzerten eines Ravel oder Schostakowitsch eines von ihm zu finden. (Jitka Kozeluhová)

Norbert von Hannenheims Musik weist zwar noch oft expressionistische Züge auf, doch leidet sie nicht an der charakteristischen Kurzatmigkeit des Expressionismus der zehner und frühen zwanziger Jahre. Seine kontrapunktische Meisterschaft befähigt ihn dazu, auf überzeugende Weise ausgedehnte absolut-musikalische Strukturen zu schaffen. Die ausdrucksmäßige Intensität lässt dabei aber keinen Augenblick nach. Es ist wohl das Insistierende, Nachdrückliche von Hannenheims Musik, das die Begegnung mit ihr zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lässt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Musik Interpreten finden wird, die sich ihrem großen Anspruch nicht entziehen. Fast alle erhaltenen Kompositionen Hannenheims haben das Zeug zu Repertoirestücken. Zwar ist Hannenheim an der Welt gescheitert; es besteht aber heute Grund zur Hoffnung, daß die Welt nicht an Hannenheim scheitern wird. (Albert Breier)